Diese zwei Begriffe prägen unser Leben ständig, mal sehr präsent und fast schon aufdringlich und dann gibt es wieder Zeiten wo die Aufmerksamkeit nicht bewusst darauf gerichtet ist. Für mich als Naturheilpraktikerin, sind diese Begriffe selbstverständlich Arbeitsgrundlage, aber ich merke immer wieder, dass es viele verschiedene Arten des Verständnisses und der Interpretation gibt und für mich ist es sehr sinnvoll, sich immer mal wieder Gedanken darüber zu machen, in sich rein zu horchen, welche Bedeutung diese Begriffe für einen persönlich haben.
Definition WHO
Natürlich gibt es verschiedene Definitionen der Begriffe. Sehr bekannt ist die Erklärung für Gesundheit der WHO. Sie definiert den Begriff folgendermassen: „Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“
Die WHO stellt Gesundheit also zum einen als eine Art Grundrecht jedes Menschen dar. Zum anderen führt sie die drei Teilbereiche des psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens auf. Hört sich zunächst relativ stimmig und Sinn ergebend an. Wenn ich mir aber genauer Gedanken über diese Definition mache, kommen mir rasch Zweifel, ob ich voll und ganz dahinter stehen kann. Mich stört der Ausdruck „völligen Wohlbefindens“. Er lässt keine Zwischenstufen zu. Entweder ist man gesund oder dann halt eben krank. Situationen des alltäglichen- oder eben auch des nicht-alltäglichen Lebens, können so kaum berücksichtigt werden. Beispielsweise könnte ich meine Arbeitsstelle verlieren, daraufhin sehr traurig und ängstlich sein und mir finanzielle Sorgen machen, bis ich wieder einen neuen Job gefunden habe. Während dieser Zeit würde ich mich also nicht über völliges psychisches Wohlbefinden erfreuen. Heisst das denn nun, dass mir deshalb meine Gesundheit abhanden gekommen ist? Oder was ist zum Beispiel wenn mich ein schlimmer Schicksalsschlag ereilte und ich eine schwere Zeit durchstehen muss. Bin ich dann wegen meiner ganz natürlichen Trauer krank?
Diese Erklärung vernachlässigt leider den individuellen Umgang mit gewissen Situationen, Begriffe wie Resilienz, Ressourcen und Kohärenzgefühl, scheinen wenig Einfluss zu haben und auch die Hürden die sich immer mal wieder im Verlauf eines Lebens vor einen Stellen und wohl einfach zum Leben dazu gehören, werden wenig mit einbezogen. Aber dazu später noch mehr.
Salutogenese und Pathogenese
Diese Begriffe sind gegensätzlich. Die Lehre der Salutogenese beschäftigt sich mit der Entstehung, Entwicklung und Förderung von Gesundheit, die Pathogenese hingegen mit der Entstehung und Entwicklung von Krankheit.
Anwendung von Salutogenese und Pathogenese
In der westlichen Schulmedizin besteht die Behandlungsgrundlage vor allem aus der Pathogenese. Man versucht die Entstehung und den Prozess einer Krankheit wissenschaftlich nachzuvollziehen und Ansatzstellen zu finden, an denen man intervenieren kann. Dies setzt voraus, dass man den Grund des Leidens oder des Unwohlseins klar identifizieren und benennen kann. Also eine Diagnose, mittels definierter Parameter wie Labormesswerte, Bildgebungen, Symptomen etc. stellen kann. In gewissen Bereichen kommt auch die Salutogenese zum Zuge. Vor allem bei Massnahmen die präventiv erfolgen oder bei der Bewältigung von Risikofaktoren.
Für mich als Naturheilpraktikerin ist die Diagnose, die Pathologie und der pathophysiologische Prozess der dahinter liegt zwar nicht zu vernachlässigen, jedoch stellt sich daraus nicht meine Behandlungsgrundlage. Ich richte meinen Ansatz viel mehr auf das individuelle Empfinden des Betroffenen. Welchen Symptomen, Eigenheiten und Auffälligkeiten zeigt der ganze Mensch? Wie geht jemand mit einer Krankheit um? Wie genau nimmt der Betroffene die Symptome wahr? Für mich ist also wichtig, was sich individuell zeigt, um zu verstehen, welcher Weg möglicherweise wieder in Richtung Gesundheit führt. Denn Grundsätzlich gehe ich nicht davon aus, dass Krankheit die Abwesenheit von Gesundheit bedeutet. Krankheit und Gesundheit existieren vielmehr nebeneinander und im besten Fall so, dass Gesundheit den grösseren Anteil ausmacht. In meiner Arbeit spielt also vor allem auch die gesundheitsfördernden Faktoren eine Rolle – insbesondere die Unterstützung der Selbstheilungskräfte und der Lebenskraft, um dem ganzen Menschen einen möglichst umfassenden Schutz seiner Gesundheit zu ermöglichen.
Spannende Begriffe aus der Salutogenese
Der Salutogenesebegriff wurde stark vom Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923-1994) geprägt. Er untersuchte die menschliche Anpassungsfähigkeit an bestimmte Stressoren. In seiner Forschung befasste er sich stark mit der Frage, warum sich beim einen Menschen durch einen Stressor eine Krankheit entwickelt, ein anderer jedoch gesund bleibt? Auch er sah Gesundheit und Krankheit als polares System in dessen Zwischenfeld man sich bewegt. Kernelement ist nach ihm das Kohärenzgefühl. Es soll die geistig-seelische Grundeinstellung eines Menschen gegenüber dem Leben und der Welt verdeutlichen. Das Kohärenzgefühl wird geprägt durch die Verstehbarkeit der Anforderungen, die auf einen einwirken, durch das Gefühl der Handhabbarkeit und durch das Gefühl der Sinnhaftigkeit des eigenen Seins. Um so grösser das Kohärenzgefühl, um so geringer die Wahrscheinlichkeit, eine Hürde nicht überwinden zu können und krank zu werden.
Ein weiterer Begriff, der im Zusammenhang mit der Salutogenese häufig erwähnt wird, ist die Resilienz. Das Wort bedeutet so viel wie Widerstandskraft und deutet auf die Fähigkeit hin, Krisen zu Bewältigen. Die Resilienz ist auch stark verbunden mit Ressourcen, Bewältigungsstrategien (Coping) und Selbsterhaltung. Das Gegenteil von Resilienz wäre die Verwundbarkeit, die Vulnerabilität.
Meine eigene Definition von Gesundheit
„Gesundheit ist ein individuell wahrnehmbares Gefühl von Wohlbefinden und kommt unter anderem aus der Balance zwischen den Teilbereichen Körper, Geist und Seele zustande. Der Übergang zwischen Krankheit und Gesundheit ist fliessend und Veränderbar.“
Was ich damit zum einen sagen möchte, ist dass man den Bereich zwischen Gesundheit und Krankheit als Kontinuum betrachten kann, dass sich während jedem Moment, den inneren und äusseren Gegebenheiten anpassen kann. Ausserdem ist es ein individuell wahrnehmbares Gefühl. Wie stark ich mich gesund oder krank fühle hängt ausserdem auch vom Gleichgewicht der Teilaspekte Körper, Geist und Seele untereinander ab. Ein Beispiel um das zu verdeutlichen: Wenn ich mich seelisch nicht gut fühle, dann kann ich eine physische Erkrankung als schwerwiegender und krankmachender empfinden. Zielgerichtet ist meiner Erfahrung nach also eine Ansicht von Gesundheit und Krankheit in der man keiner dieser Teilaspekte isoliert betrachtet und ausserdem das individuelle Empfinden des Betroffenen an erster Stelle stehen lässt.